02
1999

Neue Überwachungspläne der EU? Geht jetzt der Kommissar um?

ENFOPOL 98, ein neuer EU-Gesetzentwurf zur Überwachung des Telekommunikationsverkehrs, diente als Vorlage für ein Expertenmeeting am 3. und 4. Dezember 1998. Durch einen Bericht im „Spiegel“ wurde die europäische Internet-Gemeinde in hellen Aufruhr versetzt. Aber was ist wirklich dran an der Geschichte?

Ende letzten Jahres wurde der Entwurf für eine Entschließung des Rates der Europäischen Union eingebracht, der sich mit der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs befasst. Das Papier, das unter der Bezeichnung ENFOPOL 98 kursiert, (http://www.heise.de/bin/tp/issue/tp.htm?artikelnr=6332&mode=html) diente in seiner letzten Fassung (Revision 1) als Vorlage für ein Expertenmeeting der EU-Rats-Arbeitsgruppe „Polizeiliche Zusammenarbeit“, das am 3. und 4.12.1998 stattfand.

Irrungen und Wirrungen

Durch die Berichterstattung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ in dieser Angelegenheit wurde die europäische Internet-Gemeinde in hellen Aufruhr versetzt. Dabei wurden jedoch wesentliche Aspekte außer Acht gelassen: Zum einen handelt es sich bei ENFOPOL-Papieren immer um Arbeitsvorlagen für Arbeitsgruppen, die den Charakter von Brain-Storming-Listen haben. Was schließlich übrigbleibt, wenn die verschiedenen nationalen Delegationen den Feinschliff vorgenommen haben, ist meist kaum wiederzuerkennen. Zum zweiten wird eine endgültige Fassung, die als Entschließung des Rates verabschiedet wird, unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit nationalem Recht stehen. Die bisherigen Reportagen, auch die in anderen namhaften Magazinen des EDV-Sektors, lassen weiterhin die Tatsache außer Betracht, daß dem österreichischen Vorstoß von Seiten der anderen EU-Länder mit Reserviertheit begegnet wird.

Konkrete Folgen Der eigentliche Stein des Anstoßes bei der erwähnten Berichterstattung war die inzwischen nicht mehr gültige Fassung des Entwurfs vom 3.9.1998, in der sehr ausführlich Anforderungen beschrieben wurden, die teilweise mit derzeit geltendem deutschen Recht nicht vereinbar sind. Danach sind Überwachungsmaßnahmen betreffend den Fernmeldeverkehr nur aufgrund dreier Ermächtigungsgrundlagen möglich. Es handelt sich dabei um § 100a StPO (Strafprozeßordnung), § 39 AWG (Auenwirtschaftsgesetz) und § 1 G10 (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz). Daneben gibt es noch die Ermächtigungen zur Durchsuchung und Beschlagnahme gemäß §§ 102, 103 und 94 StPO deren Gegenstand auch Netzrechner und Datenträger im Inland sein können, sofern sie strafbare Inhalte enthalten. Überwachungsmaßnahmen im Rahmen strafprozessualer Vorschriften dürfen aber nur aufgrund richterlicher Anordnung im Falle des begründeten Verdachts bestimmter Straftaten (siehe unten „Die Gesetze“) durchgeführt werden.

Konstantin Malakas, Rechtsanwalt in Würzburg mit den Interessensschwerpunkten EDV-, Telekommunikations- und Medienrecht E-Mail: ramalakas@t-online.de

Die Gesetze

  • StPO: Sie ermächtigt Richter bzw. Staatsanwälte, Überwachungsmaßnahmen anzuordnen bei Verdacht von Straftaten des Friedensverrats, des Hochverrats, der Gefährdung des demokratischen Rechtstaats, des Landesverrats, der Gefährdung der äußeren Sicherheit, bei Straftaten gegen die Landesverteidigung oder gegen die öffentliche Ordnung, bei Anstiftung oder Beihilfe zur Fahnenflucht, bei Straftaten gegen die in der Bundesrepublik stationierten Truppen, bei Geld- oder Wertzeichenfälschung, bei schwerem Menschenhandel, bei Mord, Totschlag oder Völkermord, bei Straftaten gegen die persönliche Freiheit, bei Bandendiebstahl, Raub und räuberischer Erpressung, gewerbsmäßiger Hehlerei und Bandenhehlerei sowie gemeingefährlichen Straftaten, bei Straftaten nach dem Waffengesetz, Außenwirtschaftsgesetz, Kriegswaffenkontrollgesetz, Betäubungsmittelgesetz, Ausländergesetz oder Asylverfahrensgesetz.
  • § 39 AWG: Dieser Paragraph ermächtigt das Zollkriminalamt zu Überwachungsmaßnahmen zur Verhütung von Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz.
  • § 1 G10: Dieser Paragraph ermächtigt die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Amt für militärischen Abschirmdienst und den Bundesnachrichtendienst zu Überwachungsmaßnahmen zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes einschließlich der hier stationierten Truppen.

‹ zurück zur Übersicht